TILL-MOYLAND
LAGERVIELFALT AM NIEDERRHEIN
Ein breites Spektrum von Militäranlagen an einem Ort

Abb. 1: Kartierung der Lager 1 bis 8 in Till-Moyland auf Grundlage von Luftbildern und geophysikalischen Messungen. In den letzten Jahren ist der Fundplatz mithilfe zerstörungsfreier Methoden intensiv erforscht worden.
Zu einem der wichtigsten Militärstandorte am Niedergermanischen Limes, Till-Moyland, gehören acht römische Lager. Dies ist äußerst selten und unterstreicht die strategische Bedeutung des Platzes in römischer Zeit. Vom kleinen Marschlager bis zu einem der größten am Rhein, vom dauerhaft belegten Hilfstruppenkastell bis zum kurzfristig genutzten Legionslager ‒ hier zeigt sich ein breites Spektrum von Militäranlagen an einem Ort:
1 | Im großen Marschlager am Sandkampshof lagerte ein Heer von etwa 20.000 Soldaten auf dem Marsch. |
2 | Im temporären, stark befestigten Lager am Westrichhof überwinterten einige tausend Soldaten. |
3 | Das temporäre Lager am Kapitelshof hatte mehrere Verteidigungsgräben. |
4-7 | Die verschiedenen Marschlager dienten wohl Truppen von mehreren hundert Mann auf dem Durchmarsch. |
8 | Im Hilfstruppenkastell Steincheshof war für über hundert Jahre eine 500 Mann starke Einheit stationiert. |
Wohl nicht zufällig liegt der Ort auf halber Strecke zwischen Xanten und Nijmegen (NL), den großen römischen Militärstandorten und Hauptstädten der einheimischen Stämme. Die Lager wurden geschickt auf der Landfläche zwischen den sumpfigen Resten früherer Rheinarme positioniert. Der aktive Rheinstrom in römischer Zeit verlief weiter nördlich

Abb. 2: Beim heutigen Steincheshof zeichnen sich im Luftbild die westliche Ecke des Hilfstruppenkastells (vgl. Abb. 1 Nr. 8) und eine Lagerstraßenkreuzung () deutlich im Bewuchs ab.
MILITÄRISCHES GROSSAUFGEBOT AM SANDKAMPSHOF
Das Marschlager
Das Lager am Sandkampshof (Abb. 1 Nr. 1) wurde bei systematischen und großflächigen Magnetometermessungen entdeckt. Von Südosten nach Nordwesten maß es 552 m; nach Nordosten in Richtung Rhein kann der Wehrgraben noch mindestens 380 m weit verfolgt werden. Rheinverlagerungen im Mittelalter haben den Lagerteil nördlich der heutigen Sommerlandstraße (Abb. 1, K5) vermutlich weitgehend zerstört. Mit einer ursprünglichen Innenfläche von etwa 25 ha zählt es zu den größten Marschlagern in den römischen Rheinprovinzen. In ihm war kurzfristig ein Großteil des gesamten Provinzheeres, etwa 20.000 Mann, versammelt, die dicht an dicht in Zelten schliefen.

Abb. 3: Die Südecke des großen Marschlagers am Sandkampshof (1) im geophysikalischen Messbild. Rechts davon die westliche Ecke des Lagers beim heutigen Westrichhof (2).
Die Armee auf dem Marsch
Selten findet man Spuren einer so großen Armee auf dem Marsch, vor allem am linken Rheinufer. Die römische Armee legte zwar viele kleinere Lager zu Manöverzwecken an, bei denen hunderte Soldaten das Schanzen übten, doch mehrere tausend Mann in einem Lager stellten immer eine logistische Herausforderung dar. Eine so große Armee bestand in der Regel aus Legionssoldaten, die unterstützt wurden durch Reiter und weitere Hilfstruppen, wie spezialisierte Speerwerfer. Das Kommando konnte bei einer einzigen Person liegen: dem Statthalter von Niedergermanien und direktem Vertreter des Kaisers am Rhein. Was diesen allerdings mit seinem Heer nach Till führte, ist noch unbekannt.
TILL-MOYLAND ALS BOLLWERK IM BATAVERAUFSTAND?
Ungewöhnlich stark befestigt
Am heutigen Westrichhof wurde ein mit mindestens fünf Gräben befestigtes Lager nachgewiesen (Abb. 1 Nr. 2), eine der ungewöhnlichsten Anlagen am Rhein. Die Gräben bestanden nicht alle zur gleichen Zeit, man veränderte offenbar mehrmals das Sicherungskonzept (Abb. 3). Der äußerste Lagergraben umfasste dabei ein Areal von etwa 18 ha. Zusätzlichen Schutz bot ein Erdwall, dessen Außenseite wohl mit Holzbalken verstärkt war. Der Innenraum bot mit 14 ha noch genügend Platz für eine römische Legion. Welche Truppe hier lagerte, ist jedoch noch unklar. Die starke Befestigung spricht zum einen für eine konkrete Bedrohungssituation, zum anderen dafür, dass die Truppe länger am Ort verblieb, vielleicht für einen Winter.

Abb. 4: Auf einem Feld nahe dem heutigen Westrichhof zeichnen sich die Gräben von Lager 2 (vgl. Abb. 1 Nr. 2) deutlich ab ().
Wo lag Arenacium?
In den Jahren 69 und 70 n. Chr. war der Niederrhein im Brennpunkt des Weltgeschehens. Hier musste der Aufstand der Bataver niedergeschlagen werden, die vom Rheindelta aus die römische Herrschaft am gesamten Rhein in Frage stellten. Ihr Anführer Civilis überfiel im Spätsommer des Jahres 70 n. Chr. auch das Lager der 10. Legion bei einem Ort namens Arenacium. Bis heute ist unklar, wo genau dieser Ort zwischen Kalkar und Nijmegen (NL) lag. Neben Kleve-Rindern zählt Till zu den möglichen Schauplätzen einer entscheidenden Machtprobe des Römischen Reiches.

Abb. 5: Typisches Werkzeug römischer Soldaten für den Lagerbau: die Pionieraxt (dolabra); gefunden beim Lager am Kapitelshof (Abb. 1 Nr. 3).
EINE BESONDERE TRUPPE AM NIEDERRHEIN
Die Lager am Steincheshof
Am Steincheshof (Abb. 1, Nr. 8) hatte die römische Armee ein Kastell für eine 500 Mann starke Einheit angelegt. Von hier aus wurde die Sicherheit des Rheinufers und die Limesstraße überwacht.
Ein erstes, etwa 3 ha großes Lager wies einen Graben und vermutlich einen Erdwall auf; die Soldaten waren in Zelten untergebracht. Kurz nach 70 n. Chr. wurde es durch ein etwa 2 ha großes Kastell ersetzt (Abb. 6). Dieses diente dauerhaft als Garnison und war mit festen Gebäuden ausgestattet. Die Mannschaftsbaracken bestanden aus Lehmfachwerk, das zentral gelegene Stabsgebäude vermutlich aus Stein. Um etwa 180 n. Chr. wurde das Kastell aufgegeben. Seine Überreste bildeten mit der Zeit einen flachen Hügel, der heute den ehemaligen Standort markiert.

Abb. 6: Lage der beiden Kastelle am Steincheshof. Rot: ältere Periode; Grün: jüngere Periode.
Von Afrika an den Niederrhein
Irgendwann im 2. Jahrhundert n. Chr. kommandierte in Till ein gewisser Claudius Aelianus die cohors II civium Romanorum. Er „stammte von der mauretanischen Erde“, also aus dem heutigen Nordwestafrika, wie auf seinem nahebei gefundenen Grabstein steht (Abb. 7). Seine Hilfstruppeneinheit zählte zu den wenigen, die nicht in eben eroberten Gebieten aufgestellt worden war, sondern aus römischen Bürgern bestand. Dass sie wie Legionäre ausgerüstet waren, belegt der Fund einer manica, eines Schienenpanzers speziell für die Unterarme (Abb. 8).

Abb. 7: Grabstein des Kohortenpräfekten Claudius Aelianus (97 cm × 57 cm).

Abb. 8: Der römische Schienenarmschutz (manica) aus dem Hilfstruppenkastell von Till.